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EUROPA  -  CHRISTLICH ?!

Tagung in München, Katholische Akademie in Bayern

anlässlich des 90. Geburtstages von Papst em. Benedikt XVI. 

 

 

EINFÜHRUNG

  

Europa – christlich?!

 

Europa liegt Joseph Ratzinger Papst Benedikt sehr am Herzen. 1990 schrieb er: „Europa – ein Wort für Frieden und Versöhnung, das ist das Große und Positive an der Europa-Erfahrung unserer Epoche.“ Von der Wende des Jahres 1989 erhoffte er sich neuen Schwung für den Europa-Gedanken. Aber schon am Beginn des neuen Jahrtausends  stellte sich Kardinal Joseph Ratzinger  voller Sorge die Frage, ob der Kulturkontinent Europa noch Zukunft hat. Er sieht nach dem Zusammenbruch der großen Ideologien des vergangenen Jahrhunderts die Gefahr der „Selbstzerstörung des europäischen Bewusstseins“ und kann skeptisch fragen: “Ist die Wertewelt Europas am Ende oder eigentlich schon abgetreten?“  Umso  bedrängender ist für ihn die Frage, ob das  christliche Erbe in Europa neue prägende Kraft gewinnen und Europa Zukunft gewähren kann.

Um dem emeritierten Papst Benedikt an seinem 90. Geburtstag zu danken, war  es deshalb naheliegend, Gefährdung und Erneuerung Europas zum Thema eines Symposiums zu machen. Die Anregung und Konzeption der Joseph Ratzinger Papst Benedikt-Stiftung kam dem Institut Papst Benedikt XVI. und ebenso der Katholischen Akademie in Bayern sehr entgegen und führte zu einer fruchtbaren Zusammenarbeit.
Lassen Sie mich Sorge und Hoffnung unseres emeritierten Papstes in wenigen Strichen noch genauer konturieren. Sein skeptischer Blick auf die Gegenwart liegt nicht eigentlich darin begründet, dass das neuzeitliche Europa vom christlichen Glauben und gleichzeitig von der Aufklärung geprägt ist, ist er doch der Überzeugung, Glaube und Aufklärung könnten und sollten sich trotz aller Spannungen gegenseitig bereichern und korrigieren. Vielmehr sieht er die Gefahr vor allem darin, dass heute Tendenzen wirksam sind, die Vernunft in einer radikalen Weise auf die greifbare und machbare Realität einzugrenzen, sodass Gottesglaube und Ethos in den Bereich des Subjektiven und Privaten abgedrängt werden. Christlicher Glaube und Religionen können dann nicht mehr Grundlage sein für das  politische Ethos. Das würde aber bedeuten, dass Europa im Verzicht auf den Gottesgedanken in der Gefahr ist, sich nicht nur selber, sondern im Export einer „Mechanik ohne Ethos“ auch die religiös geprägten Kulturen anderer Kontinente zu zerstören.

Papst Benedikt bleibt aber die Hoffnung, dass der Glaube die in ihm liegende Vernunft  von neuem entfalten und in das Gespräch mit der westlichen Rationalität einbringen  kann. Und er hofft, dass die Christen im Sinne von Toynbee als eine „schöpferische Minderheit“ zur Erneuerung Europas beitragen werden.  Er hat schon auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil die Überzeugung vertreten, dass durch eine wachsende Einheit der Christen die Ausstrahlung und Überzeugungskraft des christlichen Glaubens neu aufleuchten kann.

Unser Symposium entfaltet sich in zwei Dimensionen.  Einerseits soll es die heutige Situation Europas in ihren tieferen Gefahren und Chancen aus einer dreifachen Sicht exemplarisch ausloten: aus der Sicht von Recht, Literatur und Politik. Andererseits soll es Hoffnung wecken im Blick auf das gemeinsame Zeugnis von Orthodoxie, Katholizismus und Reformation. Papst Benedikt hat mich gebeten, ich möchte an seiner Statt zu Ihnen sprechen. Sehen  Sie deshalb meine Hinweise auf seine Sorge und Hoffnung bitte auch als Zeichen seines Interesses an unserem Symposium und an seiner inneren Verbundenheit mit uns.

Prof. Dr. Stephan Horn SDS

Fotos: Dr. Michael Hofmann

 

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